Nottuln - Chodziez: Großes Fest zum 20-jährigen Bestehen
Einsatz für eine bessere Zukunft
Von PETER BUDDENDICK
Nur noch wenige Wochen, dann wird in Nottuln – häufiger als sonst schon – polnisch gesprochen. Vom 8. bis zum 10. Juni blicken Bürgerinnen und Bürger aus der Baumbergegemeinde und der polnischen Partnerstadt auf zwei Jahrzehnte Städtefreundschaft zurück. Was sich so „offiziell“ anhört, ist aber mehr als das: Gefeiert wird die Freundschaft zwischen Vereinen, Schulen – zwischen vielen Menschen aus diesen beiden Kommunen. Rund 300 Gäste aus Chodziez werden anreisen, um in Nottuln an einem unterhaltsamen und informativen Festprogramm teilzunehmen. Dabei sein wird natürlich auch eine Delegation aus St. Amand-Montrond (Frankreich), der zweiten Partnerstadt Nottulns.
Bereits Ende der 1980er Jahre regte die Friedensinitiative Nottuln an, dass die Gemeinde Nottuln eine weitere Partnerschaft - mit einer Stadt in Osteuropa – eingeht. Als sich dann vor rund 22 Jahren erstmals eine Findungsgruppe aus Nottuln gen Osten auf den Weg machte, um dort nach einer geeigneten Partnergemeinde Ausschau zu halten, hatte der „eiserne Vorhang“ zwar schon unübersehbare Risse bekommen, aber in vielen Ländern des damaligen Ostblocks herrschten noch kommunistische Regime. Die Menschen – auch die in Polen – waren dabei, sich neu zu orientieren. Eine Abkehr von „großen Bruder“ im Osten und ein Hinwenden zum Westen schien vielen der richtige Weg in die Zukunft zu sein.
Schöne alte Häuser im Schatten der Stadtkirche säumen den Marktplatz in Chodziez (Foto: Partnerschaftskomitee)
Neue Impulse
„Es waren neue Impulse notwendig, um die neue Wirklichkeit zu gestalten. Sehr wichtig war und ist es, gute Kontakte mit dem Nachbarn im Westen zu pflegen und die Vergangenheit zu verabschieden“ erinnert sich heute der damalige Pfarrer der Stadtkirche in Chodziez, Jan Stanislawski, an die Stimmung in seiner Gemeinde. Prälat Stanislawski, der inzwischen als Bischofsvikar in Posen tätig ist, war dann auch derjenige, der – nachdem er über einen Freund in Münster-Hiltrup von der Partnersuche Nottulns erfuhr – „seine Gemeinde“ als geeigneten Partner anbot. Recht hatte er – wie besagte Findungskommission bei einem ersten Besuch in der Stadt der Seen feststellen konnte. Vieles erinnerte an Nottuln. Das ehemalige Weberstädtchen mit den vielen kleinen Häusern, die waldreiche Umgebung, vor allem aber die freundlichen, aufgeschlossenen Menschen. Und so kehrten sie heim mit vielen interessanten Informationen (auch aus anderen Städten), aber auch mit dem Wunsch an die hiesigen Politiker, nach der Partnerschaft mit der französischen Stadt St. Amand-Montrond eine Entscheidung für Chodziez als zweite Partnerstadt zu fällen.
Als Gemeindepfarrer war er von mehr als 20 Jahren in Chodziez die treibende Kraft bei der Gründung der Städtepartnernschaft mit Nottuln: Prälat Jan Stanislawski. (Foto: Partnerschaftskomitee)
Die erste Begeisterung
Noch während hier die Diskussionen liefen, tauchte Anfang Juni 1991 unter der Leitung des damaligen Bürgermeisters Andrzej Jaroszynski eine kleine Gästeschar in Nottuln auf. Gespräche mit Politikern und Verwaltung, vor allem aber ein kurzfristig anberaumtes Treffen mit rund 30 Vertretern aus Schulen, Vereinen und politischen Parteien im Evangelischen Johanneshaus ließen für die Gruppe aus Chodziez nur ein Ergebnis zu: Nottuln ist die richtige Partnergemeinde. Von der freundschaftlichen Atmosphäre waren auch die Entscheidungsträger in Nottuln begeistert. Sowohl Bürgermeister Bernd Mensing als auch Gemeindedirektor Joseph Moehlen unterstützten das Vorhaben. Das wurde schon wenige Wochen später nochmals konkreter, denn Ende Mai 1991 kam erneut eine Delegation aus Chodziez ins Münsterland, um noch mehr über Nottuln und seine Menschen zu erfahren. Und schon damals ging es allen Teilnehmern darum, aus den schrecklichen Ereignissen der Vergangenheit zu lernen und die gemeinsame Zukunft besser zu gestalten, damit sich „die traurige Geschichte aus der Zeit der Weltkriege nicht wiederholt“, wie Bernd Mensing seinerzeit erklärte.
Entscheidung des Rates
Bereits am 9. Juli 1991, also fast ein Jahr vor der offiziellen Begründung der Städtepartnerschaft, fasste der Rat der Stadt Chodziez den Beschluss, „Nottuln als Partner der Stadt Chodziez anzuerkennen.“ Ein entsprechendes Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Chodziez erhielt der damalige Vorsitzende des Nottulner Ost-Komitees, Hansjörg Krukenberg, wenig später. Die Entscheidung des Nottulner Rates folgte kurz darauf. Hier fasste man dann auch einen – wie sich zeigen sollte – sehr weisen Beschluss. Zwar sollte auch diese Städtepartnerschaft – wie die mit St. Amand – eine Partnerschaft der Kommunen sein. Aber auch sie sollte getragen werden vom bürgerschaftlichen Engagement. Nicht die mehr oder weniger häufige Reisetätigkeit Offizieller sollte das Miteinander bestimmen, sondern die Begegnung der Bürger aller Altersschichten. Um das sicher zu stellen, wurde ein Partnerschaftkomitee aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gebildet. Das sollte die Austauschaktivitäten anstoßen, koordinieren, Hilfestellung geben. Die Gemeinde wollte das alles wohlwollend und – soweit es die finanzielle Unterstützung vor allem der Austauschprogramme im Kinder- und Jugendbereich betraf – tätig begleiten. An dieser Grundhaltung, die sich im Laufe der vergangenen 20 Jahre mehr als bewährt hat, hat sich nichts geändert. Der jeweilige Bürgermeister ist als geborenes Mitglied Teil des Komitees, nimmt so Anteil und - wenn nötig – Einfluss. Das aber auch nicht mehr, als es jedes andere Komiteemitglied vermag.
Realschüler waren schon da
Dann also der erste ganz offizielle Besuch in Polen, in Chodziez. Als damals nicht das Nottulner Komitee, sondern eine Delegation mit Bürgermeister und Gemeindedirektor und Vertretern aller im Rat sitzenden Parteien sowie der beiden Lokalzeitungen mit mehreren PKW anreisten, waren andere Nottulner schon da. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Liebfrauen-Realschule startete den ersten von vielen noch folgenden Schüleraustauschprogrammen in der Stadt mit den drei großen Seen. Ihre Begeisterung steckte alle an. Dabei ging es da noch recht förmlich zu. Die Nottulner Gruppe wohnte seinerzeit noch nicht in Familien, sondern im idyllisch gelegenen Forsthaus in Lipiny, rund 20 Kilometer außerhalb der Stadt Chodziez. An Felicja und Genek Ciesielski, den beiden guten Geistern, erinnern sich die, die damals dabei waren, noch immer gern. Und natürlich auch daran, dass an einem dieser Besuchstage, genau am Freitag, 31. März, die Partnerschaftsurkunde unterzeichnet wurde.
„Wir glauben an eine bessere Zukunft“
„Wir haben die Vergangenheit nicht vergessen, wir glauben aber an eine bessere Zukunft“, blickte seinerzeit der Vorsitzende des Stadtrates von Chodziez, Wojciech Stefaniak, nach vorne. Dass die Deutschen „ein schweres Erbe in die Partnerschaft einbringen“, gestand Nottulns Bürgermeister Bernd Mensing in seiner Rede während der Feierstunde ein. Er brachte als Gastgeschenk eine Glocke mit und verband damit den Wunsch, dass diese Glocke eines immer verkünde, nämlich „den Frieden und die Freundschaft zwischen den Menschen unserer Städte.“ Es waren schließlich Julia Schulz (damals Realschülerin in Nottuln) und Justina Mendlik (Schülerin in Chodziez), die vor dem feierlichen Akt den Text der Partnerschaftsurkunde unterzeichneten. Das sollte – und wurde auch – Symbol für das sein, was die gemeinsame Zukunft der Partnerschaft bestimmte, nämlich vor allem der Austausch und die Begegnung der Jugend. „Alle Bürger aus Nottuln werden wir mit offenem Herzen begrüßen“, sicherte dann noch der Bürgermeister Chodziez, Andrzej Jaroszynski, zu. Ein Versprechen, an das man sich in den zwei Jahrzehnten gehalten hat.
Was aus jenen Tagen auch in Erinnerung bleibt, sind die ersten Begegnungen mit den Mitgliedern des Komitees in Chodziez, von denen viele noch immer für die Begegnung der Menschen beider Kommunen arbeiten. Jan Margowski, damals Chef des Kulturhauses und bald schon Vorsitzender des dortigen Komitees, ist in dieser Eigenschaft noch immer dabei. Dorota Idczak, Deutschlehrerin an einer Schule in Chodziez und nicht zuletzt als Dolmetscherin im Dauereinsatz, gehörte damals und auch heute noch dem Komitee an. Andrzej Skibinski, den alle nur „Skiba“ nennen, ist als Übersetzer und guter Freund sicher das Komiteemitglied in Chodziez, das Nottuln durch seine vielen Besuche besonders gut kennt. Andrzej Gursny und Joanna Pietraszak - auch sie sind von Anfang an mit großem Engagement, Herzlichkeit und tiefer Überzeugung dabei. Bis vor rund drei Jahren galt das auch für Andrzej Andrzejewsky, der leider viel zu früh verstarb.
Zwei frühe Großereignisse
Noch immer 1992 gab es neben vielen kleinen Kennenlern-Terminen noch zwei weitere Großereignisse, die jeweils zu Bürgerfesten wurden. Beim „Spiel ohne Grenzen“ am 20. Juni kam es in Nottuln zum ersten Aufeinandertreffen von Menschen aus beiden Nottulner Partnergemeinden. Drei Sprachen – ein Ziel: Natürlich im sportlichen Wettstreit ganz vorne zu landen und sich kennen zu lernen. Übrigens: Es gab Jahre später nochmals ein Spiel ohne Grenzen. Doch da „kämpften“ nicht Deutsche, Polen und Franzosen gegeneinander, es wurden tri-nationale Teams gebildet. Nachdem das Nottulner Komitee im Juli des Gründungsjahres noch einmal der polnischen Stadt einen Besuch abgestattet hatte, stand auch der Termin für den zweiten Teil der Urkundenunterzeichnung, jetzt in Nottuln, fest. Das geschah am Freitag, 18. September.
Wer sich an diese Zeit erinnert, an die zum Teil schwierigen Diskussionen vor der Entscheidung für eine Städtepartnerschaft mit einer Kommune aus einem osteuropäischen Land, und das in einem damals sehr konservativ besetzten Gemeinderat, wer sich an die hoffnungsfrohen Reden erinnert, in denen von einer besseren, friedlicheren Zukunft gesprochen wurde, der fragt sich heute, was daraus geworden ist. Die „alten Vorurteile und Erinnerungen durch persönliche Kontakte aufzuarbeiten“ – das war damals der Wunsch des Bürgermeisters aus Chodziez. Das war dann auch der Weg, den Jugendliche und Erwachsene in den inzwischen 20 Jahren gegangen sind und weiter gehen werden.
Den Vorurteilen begegnen
Kaum etwas haftet länger als Vorurteile. Denen zu begegnen durch ein unverstelltes Miteinander im Alltag ist die Basis dieser Städtepartnerschaft. Dass dabei den Erinnerungen – zumal den unangenehmen – nicht ausgewichen wird, machten die Mitglieder beider Komitees mehr als einmal deutlich. So bei einem gemeinsamen Besuch in Berlin, bei dem manchmal auch schmerzliche Erinnerungen aus den Familiengeschichten in der Zeit des Nationalsozialismus thematisiert wurde. Und zuletzt im vergangenen Jahr, als die gemeinsam Sitzung nicht in einer der Partnerstädte, sondern im polnischen Krakau stattfand. Da wurden die ersten Weichen für die nun anstehenden Jubiläumsfeiern gestellt. Aber es gab auch den Besuch im Konzentrationslager Auschwitz. Sich auch dieser Vergangenheit zu stellen, sich dazu klar zu positionieren und - nicht zuletzt – deutlich zu machen, dass es gilt, gerade vor dieser Vergangenheit eine hoffnungsvollere Zukunft zu gestalten, auch das war und ist Ergebnis der Arbeit beider Komitees für diese Städtepartnerschaft.
Alle Bürger sind eingeladen
Wenn am 7. Juni (Fronleichnam) die ersten Gäste aus Chodziez kommen, das Gros dann einen Tag später, dann geht es vor allem um die persönlichen Kontakte. Dabei mitzumachen sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen. Das gilt am Samstag, 9. Juni, für den Besuch der Ausstellungen, die Beteiligung an den drei Arbeitskreisen und die drei Besichtigungstouren mit jeweils einem Themenschwerpunkt. Das gilt aber auch für die Feierstunde am selben Tag in der Mehrzweckhalle des Gymnasiums. Und es gilt für das große Bürgerfest, das am Sonntag, 10. Juni, auf dem Stiftsplatz gefeiert werden soll. Viele Vereine aus Nottuln und Chodziez werden sich hier präsentieren. Und schließlich wird es ganz zum Schluss auch darum gehen, eine Bilanz zu ziehen und daraus die Aufgaben für die Zukunft zu entwickeln. Denn das Erinnern an 20 Jahre Städtepartnerschaft Nottuln-Chodziez bedeutet kein Ende, sondern ist Anfang für eine weitere gute Entwicklung der Freundschaft zwischen den Menschen beider Gemeinden.
Nottulner Frühlingsbote, April 2012